Home  |  Die Dörpfeldstrasse  |  Geschichte

Die Adlershofer Geschichte in aller Kürze

100 Jahre Groß-Berlin

Ein Gewinn für Adlershof
Die einstige Landgemeinde profitierte 1920 vom Zusammenschluss zu „Groß-Berlin“
Vor 100 Jahren wurde Berlin über Nacht zur drittgrößten Stadt der Welt. Der Preußische Landtag verabschiedete ein neues Gesetz, das acht Städte, 59 Landgemeinden und 27 Gutsbezirke zu „Groß-Berlin“ vereinte. Für Adlershof hatte das eine herausragende Bedeutung. Steffi Bey sprach über dieses Thema mit dem ehrenamtlichen Ortsgeschichtler Helmut Prochnow.

Erst nach zwei vergeblichen Anläufen wurde am 27. April 1920 das Gesetz über die Bildung der neuen Stadtgemeinde Berlin mit knapper Mehrheit beschlossen. Weshalb war das so eine schwere Geburt?
Helmut Prochnow: Aus heutiger Sicht ist das völlig unverständlich, war es doch ein ungeheurer Fortschritt für Jedermann. Nur der Abgeordnetenmehrheit von SPD und USPD (Unabhängige Sozialdemokratische Partei) sowie der DDP (Deutsche Demokratische Partei) war es zu danken, dass die Bemühungen um ein größeres Berliner Stadtgebiet Erfolg hatten. Gegen den mehr als ein Jahr hinhaltenden Widerstand der überwiegend konservativen Fraktionen in der Landesversammlung gelang das schließlich in dritter Lesung. Verbunden ist das Ganze mit dem Namen des parteilosen Berliner Oberbürgermeisters Adolf Wermuth, der seit Jahren für die Erweiterung Berlins gekämpft hatte. Gemeinsam mit dem Stadtrat Dr. Hugo Preuß entwickelte Wermuth frühzeitig das Konzept für den Aufbau des neuen Berlins. Auf diesem Konzept basierte das nun beschlossene Gesetz, dass am 1. Oktober 1920 in Kraft trat. Der langjährige Vereinigungskampf zwischen den reichen westlichen und den armen um Unterstützung kämpfenden östlichen Gemeinden und Städten war nun zugunsten des neuen Berlins mit 87.819 Hektar Fläche beendet.

Die Bemühungen, das Umland mit Berlin zu vereinigen, reichen bis ins Jahr 1875 zurück.
Helmut Prochnow: Sachlich gehörten sie ja industriell und verkehrsmäßig schon lange zusammen – waren voneinander abhängig. Viele Industrielle aus dem ganzen Reich zog es seinerzeit in die Nähe der Schalthebel der Macht, blieben aber lieber im wesentlich billigeren Berliner Umland wie der Landgemeinde Adlershof. Hier konnten sie sich ungestört ausbreiten, ihren Dreck abladen – ohne von strengen Verfügungen behindert zu werden: Und das Ganze noch zu billigsten Konditionen. Manche Betriebe wurden aber auch aufgrund ihrer Umweltsünden aus Berlin ins Umland regelrecht vertrieben.

Es gab doch während dieser Zeit trotzdem bedeutende Fortschritte zur Lösung beidseitiger Probleme?
Helmut Prochnow: Ich denke beispielsweise an die 1912 erfolgte Gründung des „Zweckverbandes Groß-Berlin“, der unsere Gemeinde miteinschloss. Der Zusammenschluss der vielen Straßenbahnunternehmen zur „Berliner Straßenbahn“ und der Dauerwaldvertrag von 1915 sind heute noch wirksam. Der Erhalt unserer „Köllnischen Heide“ war damals mit 100 Hektar dabei. Ein weiterer Fortschritt gelang im Jahre 1918 mit der Gründung des „Wohnungsverbundes Groß-Berlin“, von deren Unterstützung auch unsere Gemeinde beim Bau der Kleinhaussiedlung, der für Flüchtlinge aus Westpreußen gedachten Holzhaussiedlung und im Barackenausbau der ehemaligen Flugzeugmeisterei profitierte.

Aber das reichte bei Weitem nicht aus – 1920 herrschte doch in Adlershof große Wohnungsnot?
Helmut Prochnow: Ja, das stimmt, es gab viel Elend, viel zu wenig Wohnungen und oft lebten große Familien in nur einem einzigen Raum. Doch unsere Gemeindevertretung arbeitete wirklich vorbildlich und musste dabei schon immer die eigenen Ortsprobleme nur mit den geringen eigenen Möglichkeiten lösen. So linderte sie die Hungersnot und bewältigte die Versorgung mit Heizungsmaterial, Bekleidung sowie die Entwicklung der Infrastruktur im Ort. Nach der Gründung der neuen Stadtgemeinde Berlin und der Zuordnung zum 15. Verwaltungsbezirk Treptow unter Bürgermeister Julius Grunow (SPD) musste unsere Ortsverwaltung ihre Probleme nicht mehr alleine lösen.

Der Zusammenschluss war also ein großer Gewinn für Adlershof?
Helmut Prochnow: Auch wenn wir bis heute immer noch als Randberliner angesehen werden, gingen die Adlershofer ihren Weg sehr gern gemeinsam mit dem Bezirksamt, das im Rathaus der Gemeinde Treptow seine Heimstatt fand. Neue, hoffnungsvolle Perspektiven eröffneten sich. Mit den nach und nach übernommenen Geschäften des ehemaligen Gemeindeamtes Adlershof übernahm das Bezirksamt aber auch die erheblichen Schulden, welche die Gemeinde mit ihrer sozialen Arbeit für Bauarbeiten, Grundstückskäufe, Zinsen und Pflasterarbeiten angehäuft hatte. Der neue Ortsteil Berlin-Adlershof konnte nun seine Aufgaben und Probleme mit der gemeinschaftlichen Kraft des ganzen Bezirks Berlin-Treptow lösen.

Quelle: Beilage Berliner Woche | 10/2020 | Text: S. Bey

Wie alles anfing

Jahrhundertelang bedeckte ein sicher wunderschönes, wildreiches und feuchtes Wald- und Heidegebiet, die sogenannte Köllnische Heide (Cölnnische Heyde), völlig unberührt auch unseren heutigen Heimatort. Ein Vorteil unseres späteren Territoriums war dabei schon im 18. Jahrhundert erkennbar. Unsere Gegend, „Sueszer Grundt“ genannt, durchquerten immerhin vier Wegeverbindungen. Das waren einerseits in fast West-Ost-Richtung die „Alte Heer-Straße von Leipzig nach Franck-Furth“, unsere heutige Dörpfeldstraße, sowie der „Weg von Coepenick nach Glienicke“, unser Glienicker Weg. In Nord-Süd-Richtung gab es die Straße von Berlin nach Coepenick, die heutige Oberspreestraße, und davon in der Schöneweider Gegend abzweigend den Reit- und Fahrweg des Königs bis zu seinem Schloss in Königs Wusterhausen. Brandenburgisch-preußische Adlerschilder gaben ihm den Namen: Adler Stall und letztlich Adlergestell.

In diesem „Sueszen Grundt“ legten ab 1740 die beim Amt Köpenick beschäftigten Herren Bock und Puhlmann je einen Acker und eine Maulbeerbaumplantage an. Bis dann der anfangs noch geschätzte Kriegs- und Domänen-Rat Pfeiffer auch hier tätig wurde. Den Vorschlag Pfeiffers genehmigte der preußische König Friedrich II. am 9. Dezember 1753, dass der „sogenannte bei Coepenick belegene Suesze Grundt jetzt Adlershoff benahmet bebauet werden soll“, um ein neues „Etablissement“ anzulegen. Die Ausschreibung gewann der Königliche Lampenkommissarius Siwicke, so dass am 14. April 1754 die Geburtsurkunde Adlershofs unterzeichnet werden konnte, die dann am 29. Mai 1754 vom „Alten Fritz“ bestätigt wurde. Sofort vervollkommnete Siwicke sein Gutsgelände mit dem Meierhaus gegenüber der Maulbeerbaumplantage und ließ das erste Doppelhaus für seine Kolonisten erbauen. Zwei Jahre später waren auch sein Vorwerk am Adlergestell und weitere drei Kolonistenhäuser an der Dorfstraße der „Colonie Sueszengrundt“ bezugsfertig. Ackerbau und Viehzucht kennzeichneten Gut und Kolonie.
 


100 Jahre später hatte sich diese armselige Ansiedlung noch nicht wesentlich entwickelt. Der Kampf um den Erhalt der Maulbeerbaumplantage, verbunden mit ständigem, meist interessenlosem Wechsel der Gutsbesitzer ließen die Entwicklung stagnieren. 1856 gab 1856 gab es immerhin bereits ein fünftes Kolonistendoppelhaus an der Dorfstraße, aber auch vier Einzelhäuschen gegenüber. 100 Einwohner zählte das Etablissement jetzt, dreimal so viel wie in den Gründertagen. Aus den Kolonisten bzw. Büdnern wurden inzwischen „Eigentümer“; die schweren Bedingungen blieben.

Nach dem Bau der Berlin-Görlitzer Eisenbahnstrecke in den Jahren 1865/66 sollte es aber noch bis 1872 dauern, dass der Unternehmer Quistorp die Adlershofer „Sandschollen“ entdeckte und mit Hans von Oppen mit Ausnahme des Vorwerks den Verkauf aller Gutsländereien perfekt machte. Dabei gedachte Quistorps Immobiliengesellschaft „Bauverein Adlershof-Grünau“ den Ort zu einer Villenkolonie für Superreiche zu gestalten. Nach dem Bau einer ersten Bahn-Haltestelle 1874 klappte das anfangs mit dem Bau der ersten Adlershofer Nebenstraße, der heutigen Nipkowstraße, auch ganz gut. Ein Jahr später lag auch der erste Parzellierungsplan Adlershofs mit allen später realisierten Straßenanlagen vor. Vier Jahre später ging dann endlich auch offiziell die Gutsherrschaft zu Ende, die Gemeinde Adlershof entstand. Erst jetzt begann sich Adlershof zu entwickeln. Erste Handwerksmeister und Geschäftsleute zogen in den Ort. Kurz danach begann die sogenannte Randwanderung der Berliner Industrie. Der Sohn des Unternehmensgründers Kahlbaum machte 1882 den Anfang und erwarb beiderseits des Glienicker Wegs große Grundstücke. Es folgten die Wolf Netter & Jacobi KG, die Filzfabrik Adlershof AG und viele andere. Sie beendeten die Villenkolonieträume endgültig. Auch in der ab 1884 in Cöpenicker Straße umbenannten Dorfstraße (1886: Bismarckstraße) endete die zwei- bis dreietagige Bauweise.

Mietskasernen und ein erheblicher Bevölkerungszuwachs drückten jetzt dem Ort ihren Stempel auf. Mit der plötzlich wachsenden Einwohnerzahl wurde der Bau der ersten Schulen in den Jahren 1890, 1892 und 1898 von besonderer Bedeutung für die junge Gemeinde. Als dann in „unserem“ Bereich im Frühjahr 1901 die Schachtarbeiten für den Teltowkanal begannen, hatte Adlershof bereits über 8.000 Einwohner und es wurden immer mehr. Sie setzten durch, dass ab März 1891 in der Mitte des Ortes auf einem an der Bismarckstraße liegenden Pachtgrundstück ein sich weiter entwickelnder Wochenmarkt entstand. Kurz zuvor konnte der erste Kirchenbau, die Verklärungskirche, unter aktiver Mitwirkung der Kaiserin Auguste Victoria geweiht werden. Ein Zeichen der Aufwertung unseres Ortes.


Noch immer befand sich allerdings die westliche Ortsgrenze am Adlergestell. Mit Wirkung des 1. Mai 1903 gab der Königliche Forstfiskus auch das Waldgebiet westlich des Adlergestells für kommunale Zwecke frei. Die Ortsgrenze verschob sich damit bis zum Teltowkanal. Mit dessen Bodenaushub errichtete die Bahn die Bahndämme, die ab dem 1. Juni 1905 in Betrieb genommen, schon damals eine räumliche Trennung des Ortskerns von seiner nun westlichen Gemarkung zementierten. Das zusätzliche Waldgelände war dann auch entlang der Jagengrenzen schnell parzelliert.

Ab 1906 siedelten sich südlich der Rudower Chaussee erste Unternehmen an, den Rest pachteten Kleingartenkolonien. Für die Entwicklung der nördlichen Seite sorgten luftfahrtbesessene Visionäre, die hier am 26. September 1909 den ersten deutschen Flugplatz für motorgetriebene Flugzeuge einweihten. Drei Jahre später begann hier mit der Gründung der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt ein besonderes Kapitel der wissenschaftlich-technischen Forschung, das in der Zeit der Weltkriege durch die Militärs auch flächenmäßig immer weiter ausgebaut wurde. Deren großzügige Entwicklung wirkte sich natürlich auch positiv auf den zum „roten“ Arbeiterort gewordenen Ortskern aus. Immer mehr Straßen beiderseits der Bismarckstraße wurden bebaut und nach mehreren Versuchen mit dem „ÖPNV“ konnte am 5. Juni 1909 endlich eine Straßenbahnlinie nach Altglienicke und am 29. September 1912 nach Cöpenick eingeweiht werden. 


Der verlorene Weltkrieg wirkte sich auch in Adlershof mit Wohnungsmangel, Arbeitslosigkeit und Hungersnot aus. 1.200 Flüchtlinge aus Westpreußen und Schlesien mussten aufgenommen werden, wurden vorerst in den Baracken der ehemaligen Flugzeugmeisterei untergebracht. Die bürgerliche Geschäftigkeit der blitzsauberen Bismarckstraße täuschte. Das änderte sich auch nicht, als die Landgemeinde Adlershof ab dem 1. Oktober 1920 zum 15. Verwaltungsbezirk Treptow der neuen Stadtgemeinde Berlin gehörte, zumal sich bereits Inflation und Weltwirtschaftskrise ankündigten. In dieser Notzeit entstanden auf jeder freien Fläche diverse Kleingartenkolonien, bis 1936 verdoppelte sich aber auch die Anzahl der bebauten Grundstücke.

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde auch Adlershof gleich-geschaltet, Fabriken und Wissenschaftsstandorte frühzeitig auf eine intensive Kriegswirtschaft ausgerichtet. Als dann der entfesselte Weltkrieg auf seine Verursacher zurückschlug, waren Erfolge schnell vergessen, Luftschutzbunker schützten nur das nackte Leben. Als die Rote Armee am 23. / 24. April 1945 auch Adlershof vom Faschismus befreite, waren nicht wenige Gebäude zerbombt, das westliche Gelände glich einer Trümmerstätte. Hunger und Not waren das Erbe der Nationalsozialisten. Nur langsam entwickelte sich wieder normales Leben.

Im westlichen Adlershof etablierten sich ab 1949 sehr erfolgreich die Akademie der Wissenschaften, das Stasi-Wachregiment „Felix Dzierzynski“ und das DDR-Fernsehen. Wieder wurde das Gelände zum „Terra incocnita“ für den Bürger, weiße Flecken auf dem Stadtplan. Im Ortskern entwickelte sich – „Auferstanden aus Ruinen...“ – stetig neues Leben. Ab 1952 entstanden mehrere Neubauviertel, Schulen und Sportanlagen, Kindergärten. Die ab 1951 nach dem Archäologen Professor Dr. Wilhelm Dörpfeld umbenannte Hauptstraße verlor jedoch als Geschäftsstraße immer mehr an Bedeutung. Mangelwirtschaft und Gebäudeverfall waren bei allen Bemühungen nicht zu übersehen. 


Unvergessen sind viele hervorragende, weit über den Ort bekannte, Adlershofer Persönlichkeiten, wie u.a. die Schriftsteller Anna Seghers und Boris Djacenko, den Komponisten Rudolph Wagner-Regeny, die Filmschaffenden Berta Waterstradt und Wolfgang Kohlhaase sowie dem Musikologen Professor Lucas Richter.

Nachdem die Ostdeutschen im Oktober/November 1989 das SED-Regime hinwegfegten – „Wir sind das Volk“ – und damit die Voraussetzung für die Wiedervereinigung Deutschlands schufen, begann auch für Adlershof eine neue Zeitrechnung. Wohnhäuser erstrahlten saniert in neuer Schönheit, marode Gebäude wurden geschleift, moderne Prachtbauten errichtet, Visionäre schufen seit 1994 einen ganz neuen, wunderbaren Stadtteil im westlichen Adlershof – die Stadt der Wissenschaft, Wirtschaft und Medien.

Aktuell soll nun auch die leider recht schmale Dörpfeldstraße im Rahmen des Förderprogramms „Aktive Zentren“ wieder zu einer lebendigen Einkaufsstraße entwickelt werden, um so besser die wichtigen Funktionen im öffentlichen Leben des Ortes erfüllen zu können. Umfangreiche Bürgerbeteiligungen helfen bei der Umsetzung der Bauplanungen.

 

© Helmut Prochnow 

Alle beigefügten Bilder: © Archiv Prochnow